Kreislauf-Untersuchung ("SCHELLONG-Test")

Prinzip

Der Test soll die Frage klären, ob Schwindel oder Ohnmachtszustände auf ein „Versagen“ des Kreislaufes zu beziehen sind. Dabei geht er von der folgenden Grundüberlegung aus:

Wenn sich ein Mensch aus dem Liegen aufrichtet und hinstellt sackt ein Teil des Blutes der Schwerkraft folgend in die Beine ab (siehe Abb. 1).

Handschuh

Abb. links: Handschuh, mit Wasser gefüllt. Links: Handschuh liegt auf dem Tisch. Rechts: Handschuh wird angehoben; durch die Schwerkraft sackt das Wasser in die Finger des Handschuhs.

Wenn das Blut in den Beinen "versackt" fließt es nicht wieder zum Herzen zurück und kann daher vom Herzen nicht erneut ausgepumpt werden. Dies wiederum hat zur Folge, daß der Blutdruck absinkt, die Durchblutung der Organe schlechter wird und, wenn die Durchblutung des Gehirnes stark abnimmt, Schwindelgefühle oder Ohnmachtsanfälle auftreten können.

Um diese Auswirkungen der Schwerkraft zu verhindern reagiert das Herz beim Aufstehen normalerweise mit einer Beschleunigung der Pulsfrequenz (damit mehr Blut gepumpt wird) und die Venen der Beine verengen sich automatisch (damit das Blut nicht in den Beinen „versackt“). Wenn dieser Schutzmechanismus der Venen und/oder der Herzfrequenzsteigerung versagt kommt es zu heftigen Schwindelanfällen beim Aufstehen oder sogar zu Ohnmachtsanfällen. Mit einer Kreislaufuntersuchung des Typs „Schellong“ versucht man solche Kreislaufstörungen zu entdecken (SCHELLONG war der Erfinder der Untersuchung).

Durchführung

SCHELLONG-Test

Man legt sich auf eine Liege und bleibt hier etwa 5 Minuten ruhig liegen, damit sich der Kreislauf beruhigen kann. Während dieser Zeit wird minütlich Puls und Blutdruck gemessen.

Danach steht man abrupt auf und bleibt etwa 10 Minuten lang stehen. Während dieser Standzeit werden ebenfalls minütlich Puls und Blutdruck gemessen.

Kipptisch-Untersuchung

KipptischEs handelt sich um eine Abwandlung des SCHELLONG-Tests.

Man liegt ebenfalls für etwa 5 – 10 Minuten horizontal auf einem speziellen Untersuchungstisch (Abb. „Kipptisch“), während minütlich Puls und Herzfrequenz gemessen werden.

Danach wird der Tisch in eine Position von ca. 80 Grad aufgerichtet. Während 30 Minuten werden wiederum laufend Pulsfrequenz und Blutdruck gemessen. Wenn es nach Ablauf dieser Zeitdauer nicht zum Auftreten von Pulsverlangsamung und/oder Blutdruckabfall gekommen ist wird über eine Infusion ein spezielles Medikament eingespritzt. Dieses Medikament (Isoproterenol = Katecholamin) soll über eine Erweiterung der Blutgefäße einen Blutdruckabfall provozieren.

Wenn auch nach Infusion dieses Medikamentes innerhalb 30 Minuten keine Reaktion des Kreislaufes erfolgt gilt der Test als negativ (= normale = gesunde Reaktion).

Wann wird der Test durchgeführt?

Der Test wird dann durchgeführt, wenn es darum geht, die Ursache eines Ohnmachtszustandes abzuklären, vor allem, wenn man sich bei einem solchen Ohnmachtsanfall verletzt hat.

Zur Klärung einer solchen Frage wird neben einem Kreislauftest nach SCHELLONG oder einer Kipptisch-Untersuchung oft aucvh ein solgenannter Carotisdruck-Versuch durchgeführt.

Wann darf der Test nicht durchgeführt?

Der SCHELLONG-Test darf eigentlich immer durchgeführt werden, wenn er sinnvoll ist.

Eine Kipptisch-Untersuchung sollte nicht durchgeführt werden, wenn

Wenn Frauen schwanger sind sollte man die Untersuchung ebenfalls nicht durchführen, denn sie würde in diesem Fall keine verwertbaren Ergebnisse liefern.

Die Gabe provozierender Medikamente (Isoproterenol) ist bei einer Kipptisch-Untersuchung im mer dann strengstens verboten, wenn bekannt ist, daß der Betroffene eine Koronarkrankheit mit Verengungen der Herzkrankgefäße hat, denn in diesem Fall drohen heftige und gefährliche Herzrhythmusstörungen.

Was merkt man?

Bei positivem (= krankhaftem) Ergebnis kommt es zum heftigen Schwindelanfall oder sogar zur kurzen Ohnmacht.

Wenn ein Provokationstest mit Isoproterenol durchgeführt wird man seinen Herzschlag möglicherweise sehr kräftig empfinden.

Was kann passieren?

Die bei einem positiven (d.i. krankhaften) Test auftretende Ohnmacht ist nur flüchtig und für den Patienten nicht gefährlich.

Lediglich bei Verwendung von Isoproterenol zur Provokation können bei Patienten, die eine Koronarerkrankung mit verengten Herzkranzgefäßen haben bedrohliche Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardie) auftreten.

Insgesamt sind Komplikationen der Untersuchungen aber äußerst selten.

Ergebnisse

Wenn der Test negativ verläuft kann man davon ausgehen, daß die Schwindelerscheinungen oder Ohnmachtsanfälle, die den Patienten zum Arzt geführt haben, nicht auf eine Fehlsteuerung des Kreislaufes zu beziehen sind.

Die folgenden Befunde gelten als normal:

Bei positivem SCHELLONG- oder Kipptisch-Test sind mehrere Reaktionen möglich, die aber stets nur dann als krankhaft angesehen werden, wenn sie gemeinsam mit klinischen Beschwerden (Schwindel oder sogar Ohnmacht) auftreten:

Sympathikotone Reaktion (häufigste Form):

normalSystolischer Blutdruck sinkt um > 20mmHg, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz steigt (Bild links).

Adyname Reaktion:

adynamSystolischer Blutdruck sinkt um > 20mmHg, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz bleibt gleich (Bild links)

Vasovagale Reaktion:

vasovagal Systolischer Blutdruck sinkt um > 20mmHg, diastolischer Blutdruck sinkt, Herzfrequenz sinkt ab (Bild rechts)

Hypertone Reaktion:

hyperdynamSystolischer Blutdruck kann steigen, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz steigt (Bild ganz rechts)

Alle diese verschiedenen Formen besagen zunächst einmal nur, daß eine Kreislaufstörung vorliegt, die die Beschwerden eines Mnschen (Schwindel oder Ohnmacht) erklären kann (= orthostatische Dysregularisation). Man kann aus den Formen keine Rückschlüsse auf die Art des zugrunde liegenden Problems ziehen.

Der SCHELLONG-Test liefert keine sehr genauen Ergebnisse. Besser ist da schon die Kipptisch-Untersuchung. Auch hier sind verschiedene Untersuchungsergebnisse denkbar:

Bei der

„klassischen orthostatischen Dysregularisation“

verlaengert

fällt innerhalb von ca. 3 min nach dem Aufrichten der systolische Blutdruck um >20 mm Hg und der diastolische Druck um >10 mm Hg ab.

Dies findet man oft bei Patienten mit einer gestörten Funktion ihres autonomen Nervensystems; dieses autonome Nervensystem (Sympathicus, Vagus) wird immer dann aktiv, wenn die inneren Blutdruckmeßsysteme des Kreislaufes einen zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck melden: Bei zu hohem Blutdruck wird der Vagus aktiv, der die Pumpkraft und die Schlagfrequenz des Herzens dämpft; ist der Blutdruck zu niedrig wird der Sympathicus aktiv, der für eine schneller Herzfrequenz, für eine kräftigere Pumpkraft des Herzens und für die Verengung der Schlagadern (s.o.) sorgt. 

Diese Form der Kreislauffunktionsstörung findet man auch bei Menschen, die (aus welchen Gründen) zu wenig Blutvolumen haben.

Eine Normvariante der orthostatischen Dysregularisation“ ist die sogenannten

„initiale orthostatische Dysregularisation":

Orthostase

Hierbei kommt es sofort nach nach dem Aufrichten aus dem Liegen um einen Abfall des Blutdrucks um >40 mm Hg. es kommt dann aber zu einer sofortigen Gegenregularisation, sodaß der Blutdruck schnell wieder normale Werte annimmt. Die Phase mit dem erniedrigten Blutdruck ist daher nur sehr kurz (<30 sec), sodaß diese Menschen in aller Regel auch keinen Schwindel oder gar eine Ohnmacht verspüren.

Die

„verlängerte orthostatische Dysregularisation“

kommt häufiger bei älteren Menschen vor. Man erklärt sie sich durch eine vermehrte Steifigkeit des Herzmuskels und schlechter arbeiten Gegenregularisationsmechanismen, die oben genauer beschrieben wurden.

Bei dieser Kreislaufstörung kommt es nach dem Aufrichten zu einem langsam immer stärkeren Abfall des Blutdrucks. Kommt es gleichzeitig zu einem Abfall der Herzfrequenz infolge einer überschießenden Aktivierung des Vagus spricht man von einer Reflexsynkope.

POTS

POTRS Bei einer weiteren Form der orthostatischen Dysregularisation kommt es nach dem Aufrichten aus dem Liegen zu größeren Schwankungen der Blutdruckes, vor allem aber zu einem überschießenden Anstieg der Herzfrequenz bis zu 120/min. Diese Form der Kreislaufstörung (POTS = postural orthostatic tachycardia syndrome) betrifft meistens junge Frauen, die über Schwindel beim Aufrichten aus dem Liegen klagen, bei denen aber meistens noch keine Ohnmachtsabfälle aufgetreten sind.